Check it out, baby! oder: Über Geld spricht man

Wenn man oft in unterschiedliche Museen geht, hat man schon beim Betreten ein Gespür dafür, ob es einem hier gefallen wird. Das wird jedem Menschen so gehen, der ein Steckenpferd hat und es pflegt, egal, ob es um Schwimmbäder, Restaurants, Fussballstadien, Klamottengeschäfte oder eben Museen geht. Und jetzt hören Sie mal in sich hinein: Das Preis-Leistungs-Verhältnis spielt eine Rolle – oder?

Hier geht es um Geld

Auch wenn ich weiß, welche Art von Sammlung oder Werken mich erwartet, registriere ich aufmerksam, an welchen Ort ich dafür gehe. Wer begrüßt mich? Die Dame an der Kasse natürlich, manchmal auch ein Herr. Nach Ermäßigungen für Kunsterzieher, Museumspädagogen oder Mitglieder einer Künstlervereinigung zu fragen, habe ich mir längst abgewöhnt. Da macht man sich nur lächerlich. Außer in Berlin, wo mir ein junger Mann erklärte, vorgesehen sei es zwar nicht, aber er könne mir einen Sonderpreis machen. Küsschen, junger Mann, ich fühlte mich geschätzt, auch wenn es immer noch so einige Euronen kostete.

Schon diese erste Begegnung sagt mir etwas über den Ort. Bin ich „Besucher“ oder „Kunde“? Geld wechseln für das Schließfach, Wege weisen, die Kinderbroschüre erklären. Machen die das und mit welcher Miene?

Und finde ich den Preis angemessen? Abgesehen davon, dass meiner Meinung nach alle Museen kostenlos zugänglich sein sollten (ist genau wie beim Grundeinkommen, alle, die jetzt schreien „Das geht nicht!“, haben keinen Überblick über die Kosten der „alternativlosen“ real existierenden Variante), verlangen Museen ganz unterschiedliche Eintrittspreise. Das hängt nicht davon ab, wer der Träger ist:
Der Eintritt ins Museum von der Heydt in Wuppertal kostet € 9,- (ich rechne mal die € 3,- für den Besuch der Kunsthalle in Barmen raus), Träger ist die Stadt unterstützt von Stiftungen und dem Kunst- und Museumsverein. Ich bezahle € 12,-, habe aber keine Lust, noch nach Barmen zu fahren.
Im Museum Folkwang komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus: Träger ist die Stadt, der Eintritt ist frei.
Das Arp-Museum in Remagen betritt man für € 9,-, Träger ist in Gestalt von Stiftungen das Land Rheinland-Pfalz. Das könnte ich jetzt noch tagelang aufschreiben, aber mit welchem Zweck?

Und hier geht es um die Besucher

Der Eintrittspreis erlaubt es bestimmten Menschen, das Museum zu betreten – oder auch nicht. Folglich hat er Einfluss auf das Publikum, das mich im Museum umgibt. Ich vergleiche hier bewusst ausschließlich Kunstmuseen, die Wert auf eine gehaltvolle Sammlung des 20. Jahrhunderts legen, wobei das Arp-Museum vom Standort und der Sammlung her sich deutlich von den beiden anderen Museen unterscheidet. Wo gehe ich also hin, wenn ich mit Mann und zwei kleinen Kindern mal einen van Gogh oder auch einen Rothko in echt sehen will? Die Fahrt von Wuppertal nach Essen lohnt finanziell, den Rest muss man selbst entscheiden. Das Arp-Museum ist ein Ausflugsziel, und kein billiges.

So weit die Voraussetzungen – und das Publikum ist genau so strukturiert, wie man es nach dieser Vorrede erwartet. Damit ich meinen Schnabel nicht an gut situierten Bestagern in Wuppertal und Remagen wetze (zu denen ich selbst gehöre ;-)), schildere ich einfach, wer im Folkwang Museum so herumläuft: alle. Ich höre italienisch, japanisch und weißnicht, die Besucher tapsen, schlendern, schreiten, hinken und schlurfen durch die Räume oder werden hindurch gefahren, im Buggy oder im Rollstuhl. Sie sind allein, zu zweit oder in kleinen Gruppen, manchmal aus Europa und gehören allen Altersstufen an. Es herrscht eine angenehme geschäftige Ruhe. Man spricht über die Kunst, aber die Räume sind so großzügig, dass man sich nicht auf die Nerven geht. Ja, den älteren Herrn, der lautstark seiner Begleiterin die Kunst erklärt, gibt es auch hier, aber ich kann ihm gut aus dem Weg gehen.

Die Aufsichten sehen dem Treiben gelassen zu – sie haben ja den gleichen großzügigen Überblick wie die Besucher, große Räume, viele Glas, man sieht, wer wo ist. Eine von ihnen unterhält sich lange mit zwei Besuchern über die Genese der Sammlung; beim Vorbeigehen streift mich ich ihre Verbundenheit mit dem Haus wie ein weicher Schal. Niemand folgt mir hier in ein Kabinett oder hinter eine Wand – das gibt es nämlich nicht. Es gibt Räume, Gänge und pro Blickpunkt eine Aufsicht.

Jetzt geht es um die Präsentation der Kunst

Die Entspannung gilt in Essen auch für die Präsentation der Kunstwerke. Jedes hat seinen Platz, kann atmen, es gibt aber auch Korrespondenzen, Zusammenspiele.

Das von-der Heydt-Museum zeigte gerade ausschließlich Tony Cragg, zum Teil auch in klugen, ansprechenden Zusammenstellungen. Aber Großzügigkeit ist anders. Es kann sinnvoll sein, sie aufzugeben, wenn es schade wäre, irgendetwas wegzulassen. Obwohl ich Cragg wirklich bewundere und viele seiner Arbeiten schätze muss ich feststellen, dass weniger mehr gewesen wäre.

Das Arp-Museum mit dem Bau von Richard Meier wäre auch leer ein Ereignis. Die Ausstellungen der Sammlung Arp und über die Bildhauerin Barbara Hepworth entfalten sich darin und laden ein, zu schlendern, stehenzubleiben und zu genießen. DADA genießen? Hm – als einstige DADA-Begeisterte (meine beste Schulfreundin Elvira und ich, wir nannten uns ELEL ;-)) finde ich das ein wenig zu hübsch. Aber man kann die Entwicklung der Bewegung nachvollziehen und sieht Zusammenhänge. Über Barbara Hepworth gibt es einen Film aus den fünfziger Jahren, mit zeitgenössischer Musik und anspruchsvollen Texten. Leider hat man die Installation eines Kopfhörers gescheut, so dass der Ton unverständlich als Hintergrundkulisse mitläuft, schade drum. Ich hätte etwas mehr Freude am Detail erwartet. Super ausgesucht und präsentiert sind die „Menschenskinder“. Die HandsON in dieser Ausstellung sind allerdings so hübsch, der Platz drumherum so knapp bemessen und man selbst so sehr auf dem Präsentierteller, dass neugieriges Ausprobieren niemandem in den Sinn kommen wird. Ein Hingucker und eine anschauliche Ergänzung der Gemälde, Fotos und Skulpturen sind sie aber auf jeden Fall.

Und jetzt geht es um das Wichtigste (?): Das Café

Und dann gibt es noch das Museumscafé. Das von Daniel Buren gestaltete in Wuppertal ist leider gerade wegen Umbau geschlossen. Ausprobiert haben wir nur das im Arp-Museum, wo die Preise olalà waren, das kleine Gericht aber auch lecker. Ob ich im „Vincent & Paul“ im Folkwang-Museum gerne € 4,10 für einen Latte macchiato bezahlt hätte? Na, ich weiß nicht. Kann man da die familienfreundliche Linie nicht fortsetzen?

Schnell zurück zum Geld!

Wenn ich mir so zusehe beim Streifen durch die Museen, wird mir klar, dass sie mir großen Genuss bescheren. Kunstwerke zu betrachten macht mich glücklich, was nicht heißt, dass sie alle schön, beglückend und harmlos sein müssen, ganz im Gegenteil. Fast nichts kann mich so rühren und aufwühlen wie ein Kunstwerk. Wie unbeschwert ich mich dem hingeben kann, hängt vor den Menschen ab, die mich dort umgeben. Fühle ich mich willkommen geheißen? Sind alle entspannt, Personal wie Besucher? Kann ich etwas fragen? Und hinterher mag ich gerne in Ruhe irgendwo sitzen und etwas trinken, meinen Gedanken nachhängen oder, wenn ich Gesellschaft habe, mit meiner Begleitung reden. Kulinarik ist mir da egal, Kronleuchter auch. Ein kleiner Tisch mit etwas Abstand zum nächsten Tisch, ein Latte (lieber Hagen Rether, es tut mir so leid) und wenn es dann noch ein gutes Stück Kuchen gibt, esse ich das gerne. Das ist aber „on top“, die Kunst ist am Museum das Wichtigste. Das scheint den Besuchern in Essen genau so zu gehen, das Museum war gut besucht, das teure Café hat niemanden abgeschreckt. Wohl aber die teuren Eintrittspreise in Wuppertal und Remagen, würde ich meinen. Es war Ferienzeit, in Wuppertal sogar Samstag. Da erwarte ich einem Museum nicht nur die Bildungsbürger und Senoiren. Mit welchen Erwartungen Menschen meiner Meinung nach überhaupt ins Museum gehen oder nicht, habe ich an anderer Stelle erörtert. Bei Nicole Zepter kann man das ganz gut nachlesen. Geld spielt meiner Meinung nach eine entscheidende Rolle.

Wen beglücke ich jetzt mit dieser Einsicht außer meinen Lesern hier im Blog? Das überlege ich mir noch. Frau Grütters ist ja gerade sehr beschäftigt, unter anderem muss sie mit der völlig überraschenden Feststellung zurechtkommen, dass Frauen im Kulturbetrieb mächtig unterrepräsentiert sind. Vielleicht die Kultusministerkonferenz? Den deutschen Städtetag? Hinweise nehme ich gerne entgegen.

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